Tradition trifft Innovation: Shunsuke Ohes Kolumbarium in Osaka

Ein moderner Rückzugsort, der japanische Baukunst neu interpretiert

Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart ist ein zentrales Thema zeitgenössischer Architektur. Shunsuke Ohe demonstriert mit dem Kolumbarium „Where the Soul Sleeps“ eindrucksvoll, wie traditionelle Baukunst und innovative Materialien harmonisch verschmelzen können. Das an einen Tempel angeschlossene Gebäude in Osaka wurde zwischen August 2022 und Dezember 2023 realisiert und setzt neue Maßstäbe für spirituelle Räume in urbanen Kontexten.

Das architektonische Konzept basiert auf klassischen japanischen Gestaltungsprinzipien, die bis ins kleinste Detail respektiert und modern interpretiert werden. Während traditionelle Bauweisen und Materialien wie Holz und Putz dominieren, kommen auch moderne Elemente zum Einsatz. Besonders bemerkenswert ist der Einsatz von Dachziegeln aus Harz anstelle von Ton oder Zement. Diese Innovation reduziert das Gewicht des Daches erheblich und erhöht die Widerstandsfähigkeit gegen Erdbeben – ein entscheidender Vorteil im erdbebengefährdeten Japan. Zudem wurde die Feuerbeständigkeit verbessert, ohne den authentischen Charakter der Architektur zu beeinträchtigen.

Im Inneren des Kolumbariums erwartet Besucher eine Atmosphäre, die gleichermaßen beruhigend wie inspirierend wirkt. Das zentrale Element bildet ein halb-elliptisches Monument, das durch geschickt platzierte Spotlights von Decke und Boden in diffuses Licht getaucht wird. Diese Inszenierung schafft eine symbolische Trennung zwischen der Welt der Lebenden und der Verstorbenen und lädt zum Innehalten und Erinnern ein. Die dynamische Kassettendecke, ein weiteres Highlight, wird durch indirekte Beleuchtung sanft akzentuiert und verleiht dem Raum eine hochwertige, fast sakrale Ausstrahlung.

Die Materialauswahl und die handwerkliche Ausführung spiegeln höchste Sorgfalt wider. Außen dominieren Harzdachziegel, gebeiztes Holz und Putz, während im Inneren natürliche Hölzer, Stoffbespannungen und hochwertige Bodenbeläge aus Porzellanfliesen und Naturstein verwendet werden. Jedes Detail – von der Deckenhöhe über die Farbgebung bis hin zur Lichtführung – wurde präzise geplant, um eine harmonische und würdevolle Atmosphäre zu schaffen. Laut Shunsuke Ohe soll das Kolumbarium ein Ort sein, an dem die Begegnung mit Verstorbenen auf besondere Weise möglich wird.

Die Herausforderung bestand darin, traditionelle japanische Architektur nicht nur zu bewahren, sondern sie durch innovative Materialien und Technologien zukunftsfähig zu machen. Der respektvolle Umgang mit kulturellem Erbe und die gleichzeitige Offenheit für neue Lösungen zeichnen das Projekt aus. Die Jury des renommierten A' Design Award würdigte diese Leistung 2025 mit dem Bronze-Preis in der Kategorie Architektur, Bau und Struktur – ein Beleg für die gelungene Verbindung von Kunst, Wissenschaft und gesellschaftlicher Relevanz.

Das Kolumbarium „Where the Soul Sleeps“ zeigt eindrucksvoll, wie Architektur nicht nur Räume gestaltet, sondern auch emotionale Brücken zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schlägt. Shunsuke Ohe setzt damit ein Zeichen für einen respektvollen und zugleich innovativen Umgang mit Tradition – ein Ansatz, der weit über die Grenzen Japans hinaus inspirieren kann.